„Turm und Tunnel“ ist da

Über fünf Jahrzehnte hinweg hat der Architekt Friedhelm Grundmann (1925–2015) Kirchen und U-Bahnhöfe gestaltet – das ist einmalig in der deutschen Nachkriegsmoderne. 1961 war es ein Verkehrsbau, der ihn in Hamburg bekannt machte, die U-Bahnstation Lübecker Straße mit ihrer eleganten Betonkuppel. Im norddeutschen Raum folgten prominente Aufträge in wechselnden Büropartnerschaften: von markanten Neubauten wie der Simeonkirche in Hamburg-Hamm (1965–1968) bis zur Neuordnung der mittelalterlichen Dome in Lübeck (1962–1973) und Greifswald (1982–1989). Regelmäßig zog es ihn zurück zu den Hamburger Verkehrsprojekten wie zuletzt zur Erneuerung der nachkriegsmodernen U-Bahn-Haltestelle und Busumsteigeanlage Wandsbek-Markt (2000–2005). Mit dem Ausstellungs- und Buchprojekt “Turm und Tunnel” – einer Kooperation der Universität Hamburg mit dem Online-Magazin moderneREGIONAL – wird das Schaffen Grundmanns erstmals umfassend gewürdigt.

Als roter Faden dient der Vergleich der beiden, scheinbar widersprüchlichen Baugattungen Kirche und U-Bahn. In beiden Fällen sah sich Grundmann den Bedürfnissen der Menschen und einer maßvollen Moderne verpflichtet. Die Ausstellung war vom 6. September bis 9. Oktober 2022 in der Freien Akademie der Künste Hamburg zu sehen. In der Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs erschient das Buch bei Dölling und Galitz. Das Begleitprogramm spannte sich von der Vernissage über Führungen bis zur Fachtagung auf.

Spring School in Hamburg

Vom 13. bis 19. Februar 2023 können Studierende in einer Spring School in Hamburg ausloten, ob und wie sich das Evangelisch-Lutherische Gemeindezentrum Mümmelmannsberg – ein denkmalgeschütztes Bauwerk, das von 1974 bis 1976 nach Entwürfen des Büros Grundmann – Rehder – Zeuner errichtet wurde – künftig nutzen und erhalten lässt. Studierende können sich bewerben bis zum 30. November 2022 mit einem Motivationsschreiben (max. 1 Seite) und kurzem Lebenslauf an: berkemannk@uni-greifswald.de. Die Veranstaltung bildet eine Kooperation der Universität Greifswald, der Universität Hamburg und der TH Lübeck.

Die Hintergründe

Vor 15 Jahren stand es schon einmal Spitz auf Knopf: Das Evangelisch-Lutherische Gemeindezentrum Mümmelmannsberg sollte aufgegeben werden. Doch mit der Unterschutzstellung und einer Ausstellung zu Hamburgs Kirchen fand die protestantische Gemeinde 2007 einen neuen Zugang zu ihrem Standort. Immerhin gilt der 1976 eingeweihte Bau, gestaltet vom Architekturbüro Grundmann – Rehder – Zeuner, als das letzte nachkriegsmoderne Gemeindezentrum der Hansestadt. Inmitten der Hochhaussiedlung Mümmelmannsberg nimmt sich das flachgedeckte Ensemble in der Höhe zurück, um durch die farbig gestalteten Emaille-Fassadenplatten des Künstlers Hans Kock wieder hervorzustechen. Und seit einigen Jahren hat sich hier eine lebendige interreligiöse Arbeit zwischen dem Pfarrer, dem Imam und dem Rabbi der Großwohnsiedlung etabliert.

Doch in fünf Jahren geht der jetzige Pfarrer in Ruhestand – und die Gemeinde überlegt ganz konkret, ob und wenn ja, wie sie den Standort wird (er-)halten können. Neben den üblichen Problemen (weniger Geld, weniger Mitglieder) müssen die künstlerisch gestalteten Fassadenplatten dringend restauriert werden. Zeitgleich plant ganz in der Nähe die Kommune ein “Soziales Dienstleistungszentrum”– als Neubau. Vor diesem Hintergrund lädt die Spring School “Kirche und Kulturerbe” 2023 Studierende aller Fachrichtungen, die sich mit (Kirchen-)Bauten auseinandersetzen, vom 13. Februar (Anreise) bis 19. Februar 2023 (Abreise) dazu ein, sich um die Zukunft des Ensembles zu kümmern.

Im Mittelpunkt stehen ganz konkrete Fragen: Wie kann an diesem Ort dauerhaft ein Stadtteilzentrum bestehen, das vielfältigen religiösen Zugängen Raum gibt? Wie lässt sich ein gutes Betreiber*innenmodell finden und finanzieren? Wie sieht konkret ein gemeinsamer liturgischer Raum für unterschiedliche Religionen aus? Und wie geht das zusammen mit dem denkmalgeschützten Baukunstwerk mit gefährdeten Fassadenplatten? Studierende der Architektur(-Geschichte), Denkmalpflege, Kunstgeschichte, Religionswissenschaften, Restaurierung, Theologie und anderer Fächer, die mit historischen Gebäuden zu tun haben, können sich bewerben bis zum 30. November 2022 mit einem Motivationsschreiben (max. 1 Seite) und kurzem Lebenslauf an: berkemannk@uni-greifswald.de. Die Rückmeldung erfolgt im Dezember 2022.

Eine Kooperation

Die Veranstaltung bildet eine Kooperation der Universität Greifswald, der Universität Hamburg und der TH Lübeck. Die Tagungsleitung liegt gemeinsam bei Dr. Karin Berkemann (Universität Greifswald, Kulturerbe im kirchlichen Raum), Prof. Dr. Tobias Braune-Krickau (Universität Greifswald, Praktische Theologie), Prof. Dr-Ing. habil. Sonja Hnilica (TH Lübeck, Bauwesen), Dr. habil. Frank Schmitz (Universität Hamburg, Architekturgeschichte) und Dr. Farid Suleiman (Universität Greifswald, Religionswissenschaften/islamische Theologie). Das Konzept erstellte Dr. Karin Berkemann (Universität Greifswald). Die Veranstaltung ist Teil der Greifswalder Reihe Spring School “Kirche und Kulturerbe”. Die Veranstaltung ist Teil der Greifswalder Reihe Spring School “Kirche und Kulturerbe”.

Im bulgarischen Rundfunk

Die bulgarische Architektin Slava Savova recherchierte 2021 zur deutschen Wiederentdeckung der modernen Architektur. Dafür sprach sie – coronabedingt in verschiedenen Zoom-Sitzungen – mit unterschiedlichen Initiativen, Aktivist:innen und Forscher:innen über die Erhaltung des modernen baukulturellen Erbes. Im Interview mit Karin Berkemann vom Online-Magazin moderneREGIONAL drehte sich alles um die Frage, wie ungeliebte Bauwerke von der Kleinkirche über ostmoderne Architekturen bis zum Erbe der 1990er Jahre an eine breitere Öffentlichkeit vermittelt werden können. Nun ist das Ergebnis des Gesprächs, das zuvor bereits im bulgarischen Radio zu hören war, auch online nachzulesen.